Zukunft Verpackung: Lebensmittelverschwendung eindämmen

Ob Saftkarton, Chipstüte oder Plastikschale für Hackfleisch: Verpackungen sind im Nahrungsmittelsektor unverzichtbar. Damit sie nicht nur ihren Inhalt, sondern auch die Umwelt schützen, werden am Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV neue Recyclingprozesse und alternative Verpackungsmaterialien entwickelt.

Dass Aufbackbrötchen wochenlang haltbar sind und Kartoffelchips Monate nach dem Kauf noch knusprig, liegt an ihrer Verpackung. Auch viele andere Lebensmittel wären ohne schützende Verpackung schnell ungenießbar. Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) werfen der Einzelhandel sowie Verbraucherinnen und Verbraucher 17 Prozent der weltweit produzierten Nahrungsmittel weg. Weitere 14 Prozent erreichen den Handel gar nicht erst. Das ist eine ungeheure Vergeudung von Wasser, Land und anderen Ressourcen, verbunden mit der unnötigen Emission enormer Mengen an Treibhausgasen.

Schutz vor Druckstellen, Schimmel & Co.

Verpackungen sollen verhindern, dass Lebensmittel in der Tonne statt auf dem Teller landen. Sie schützen die Ware vor Druckstellen und anderen mechanischen Schäden, ebenso vor Schimmelpilzen, Bakterien und sonstigen Schädlingen. Sie halten Feuchtigkeit und Schmutz, Schadstoffe und Fehlaromen fern. Richtig verpackt bleiben auch Sauerstoff und Licht außen vor, damit fetthaltige Lebensmittel nicht ranzig werden und Vitamine sowie andere Nährstoffe erhalten bleiben.

Verpackungen halten nicht nur äußere Einflüsse ab. Bei wasserhaltigen Produkten verhindern sie das Austrocknen und bei leicht verderblichen Lebensmitteln wie rohem Fleisch oder Aufbackbrötchen, die in einer Schutzatmosphäre verpackt werden, den Austritt des Schutzgases. Außerdem dienen Verpackungen als Informationsträger und zu Marketingzwecken, vor allem bei verarbeiteten Lebensmitteln vom Joghurt bis zur Tiefkühlpizza.

Am Fraunhofer IVV wird zudem an aktiven Verpackungen geforscht. Sie enthalten zum Beispiel Sauerstoffabsorber oder Substanzen, die das Reifegas Ethylen binden. Antimikrobiell ausgestattete Verpackungen verlängern die Haltbarkeit ebenfalls, sodass der Gehalt an Konservierungsstoffen in den Lebensmitteln reduziert werden kann.

Materialkreisläufe schließen

Verschiedene geschredderte, bunte Verpackungsmaterialien und daraus hergestellte Rezyklate

Eine nachhaltige Verpackung soll Lebensmittelverluste minimieren, muss aber auch andere Ressourcen schonen. Angestrebt werden daher ein reduzierter Materialeinsatz, besonders von Plastik, sowie der Ersatz von fossilen durch nachwachsende Rohstoffe. Ein kompletter Verzicht auf Kunststoffe hingegen ist nicht zielführend, da sie anderen Materialien durchaus überlegen sein können, wie zum Beispiel die Ökobilanz von Mehrweg-Getränkeflaschen aus Polyethylenterephthalat (PET) zeigt.

Der Schlüssel zu mehr Ressourceneffizienz und Müllvermeidung liegt in geschlossenen Materialkreisläufen. Das gilt besonders für Lebensmittelverpackungen, bei denen der Einsatz von Recyclingmaterial streng reglementiert ist. Forschende vom Fraunhofer IVV entwickeln laserbasierte Abfallsortiersysteme, um Lebensmittelverpackungen von anderen Reststoffen zu trennen, die sich nicht für den Kontakt mit Lebensmittel eignen. Die Grundlage dafür bilden auf die Verpackung gedruckte fluoreszierende Tracer mit einem materialspezifischen Code.

Eine Herausforderung bleibt das Recycling von Verbundmaterialien, etwa aus Pappe, Kunststoff und Aluminium (wie der klassische Saftkarton) oder aus Kunststoff und Aluminium (wie Chipstüten und Vakuumverpackungen für Kaffee). Mit herkömmlichen Recyclingmethoden lassen sich die verschiedenen, fest zusammengefügten Materialien nicht trennen. Das Fraunhofer IVV löst das Problem mit dem CreaSolv-Prozess, einem physikalischen Verfahren, das Kunststoffe mit unbedenklichen Lösemitteln aus den Verbundmaterialien extrahiert. Eine CreaSolv-Pilotanlage bei Unilever in Indonesien gewinnt so Polyethylen zurück, eine Anlage in Deutschland beim Industriepartner Lömi recycelt auch andere Kunststoffe. Am Fraunhofer IVV in Freising entsteht derzeit eine weitere CreaSolv-Anlage.

Außerdem beschäftigen sich die Fraunhofer-Forschenden mit leichter zerlegbaren Verbundmaterialien. Enthalten sie als Sauerstoffsperre eine Schicht aus Proteinen, lassen sie sich enzymatisch delaminieren, denn spezielle Enyzme lösen die Proteinschicht auf. Auch Verbundmaterialien mit Klebstoffen, die ihre Klebkraft zum Beispiel durch Hitze verlieren, werden am Fraunhofer IVV erforscht.

Barrierefolien statt Verbundmaterial

Algen am Strand für die Nutzung als biobasiertes Verpackungsmaterial
Das Forschungsprojekt ACCEPT untersucht die Möglichkeit von biobasierten Verpackungsmaterial aus Algen. Sie wären damit eine nachhaltige Alternative, die aus einem schnell nachwachsenden Rohstoff hergestellt werden.

Viele Verbundmaterialien sind auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen. So gibt es besonders gasdichte Plastikfolien, etwa für die Verpackung von rohem Fleisch, die aus bis zu elf Schichten verschiedener Kunststoffe bestehen. Ein Ziel der Forschung ist der Ersatz solcher Verbundfolien durch ein Monomaterial. Das kann ein Massenkunststoff wie Polyethylen oder ein Biokunststoff wie Polymilchsäure (PLA) sein, die für eine bessere Schutzfunktion mit hauchdünnen Barriereschichten versehen werden. Bei der Beschichtung setzen die Fraunhofer-Forschenden vorrangig auf natürliche Materialien, etwa auf pflanzliche Öle und Wachse oder Polysaccharide aus Algen. Auch nanoskalige Tonminerale, einige zehn Nanometer dünne Schichten aus anorganischen Materialien wie Aluminiumoxid oder Zellulose-Partikel kommen zum Einsatz. Sie schließen Lücken im molekularen Netz der Kunststoffe und verhindern so den Durchtritt von Wasserdampf und Gasen. Da die Barriereschichten extrem dünn sind, stören sie beim Recycling nicht. Ihr Anteil ist geringer als der von anderen üblichen Kunststoffzusätzen.

Besonders anspruchsvoll ist die Beschichtung von Schrumpffolien. Sie umschließen die Ware eng, da sie sich während des Verpackungsprozesses durch Hitzebehandlung um bis zu 30 Prozent zusammenziehen. Die Barriereschicht darf dabei nicht abplatzen. Für transparente, UV-undurchlässige Schrumpffolien werden am Fraunhofer IVV spezielle Siliziumverbindungen eingesetzt, die mehrere Bindungsstellen aufweisen. Sie tragen an einer Stelle einen UV-Absorber und docken mit einer anderen an die Folie an. Beim Schrumpfen rücken die UV-Absorber zusammen, ohne dass die Bindung an die Folie leidet.

Neue Biokunststoffe und essbare Hüllen

Verschiedene Papierverpackungen mit Beschichtungen aus Biopolymeren.

Mit Biokunststoffen für Lebensmittelverpackungen beschäftigt sich das Fraunhofer IVV ebenfalls. So werden aus Algen nicht nur Barriereschichten, sondern auch eigenständige Folien entwickelt. Mit verschiedenen Methoden lassen sich zudem die Eigenschaften von Biokunststoffen verbessern. Eine Elektronenstrahlbehandlung etwa erhöht sowohl die mechanische Stabilität als auch die Dichtigkeit des Biokunststoffs PLA gegenüber Wasserdampf, da sie zur Quervernetzung des Polymers führt. Für eine effektivere Kompostierung wiederum sorgen in die Biokunststoffe eingebundene Enzyme.

Außerdem entwickeln die Fraunhofer-Forschenden essbare Hüllen und Überzüge aus Proteinen von Pflanzen, Pilzen oder Algen, die vor dem Verderben schützen. Im Fokus stehen zunächst Hüllen für vegane Wurstwaren. Anschließend soll das Konzept auf andere Lebensmittel übertragen werden.

Ob recyclingfähig, leichter kompostierbar oder gar zum Verzehr geeignet: Bei der Entwicklung von Lebensmittelverpackungen haben die Forschenden vom Fraunhofer IVV die Nachhaltigkeit immer im Blick. Sie wollen nicht nur die Verschwendung von Nahrungsmitteln eindämmen, sondern gleichzeitig die Umwelt entlasten.