Migration durch papierbasierte Packstoffe

Forschungsprojekt »MigPAP«

Modellbasierte und experimentelle Konformitätsprüfungen für
faserbasierte Packstoffe

Untersuchungskolben zur Migrationsüberprüfung mit verschiedenen Papierverpackungen im Hintergrund

Mit dem 2019 verabschiedeten EU Green Deal wurde das Ziel gesetzt, den Anteil an recyclingfähigen und kompostierbaren Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen deutlich zu erhöhen. Papier und Pappe stellen dabei eine wichtige Alternative dar. Für ihren Einsatz in Lebensmittelverpackungen müssen sie jedoch auch den stetig steigenden Anforderungen an die lebensmittelrechtliche Konformität und die Bewertung möglicher Stoffübergänge auf Lebensmittel entsprechen, um die Sicherheit der Verbraucher und Verbraucherinnen zu gewährleisten.

Fehlbewertungen bei konventionellen Prüfverfahren

Bisherige konventionelle Prüfverfahren wie Heißwasser-, Kaltwasser- und Lösemittelextrakte an Papierverpackungen können zur Überschätzung der realen Migration auf Lebensmittel führen und damit zu ungerechtfertigten Nicht-Konformitätsbewertungen. Unter anderem treten die verwendeten flüssigen Simulantien mit Papieren in Wechselwirkung und Analyten, die in realen Verwendungen nicht oder in geringerem Ausmaß ins Lebensmittel migrieren würden, können bei diesem Prüfverfahren aus der Matrix herausgelöst werden und zu einer negativen Bewertung des Papieres führen. Auch das Simulanz E für trockene Lebensmittel, das Adsorbens MPPO, kann die tatsächliche Migration überschätzen.

Lagertests mit Lebensmitteln und anschließender Analyse der Lebensmittel sind zeit- und kostenaufwändig, nicht übertragbar auf andere Lebensmittel, nicht für alle Substanzen möglich und daher keine Alternative für die Routineprüfung. Um realistischere Prüfszenarien festlegen bzw. über mathematische Modelle die Migration ohne starke Überschätzung vorhersagen zu können, fehlt derzeit noch ein sicheres quantitatives Verständnis der dominierenden Transportvorgänge in Papieren.

Verbesserte Prüfsystematik für Papierverpackungen

Ziel des Projekts MigPAP (IGF 22760 N) ist eine realistischere Abbildung der Migration organischer Substanzen in bzw. aus papierhaltigen Verpackungen, sowohl für die experimentelle Prüfung als auch für modellbasierte Vorhersagen. Dabei stellt die Abschätzung über mathematische Modelle eine anwendbare Alternative dar, die sowohl alleinstehend als auch ergänzend zu konventionellen Migrations- und Extraktionsprüfungen eingesetzt werden kann. Barriereschichten und der Einfluss von Füllstoffen werden in das Modell implementiert. Neben der Konformitätsprüfung sollen für die Entwicklung neuer Papierrezepturen oder Verpackungsdesigns mit gewünschten Barriereeigenschaften planerische Werkzeuge an die Hand gegeben werden bis hin zu virtuellem Prototyping über Simulationen.

Migrations- und Permeationsprüfungen am Fraunhofer IVV

Das Fraunhofer IVV wird im Projekt MigPAP Stofftransportvorgänge experimentell über Migrations- und Permeationsprüfungen untersuchen, im ersten Schritt über wohldefinierte Papierproben. Auf dieser Basis werden Diffusions- und Verteilungskoeffizienten der Substanzen in Abhängigkeit verschiedener papier- und umgebungsbedingter Einflussfaktoren (z. B. Feuchte) abgeschätzt und kinetische Daten für die Beschreibung mittels modellbasierter Simulation erzeugt. Aus den Erkenntnissen der Experimente und der modellbasierten Methoden, einschließlich des Vergleichs mit den Lebensmitteln, werden einerseits Vorschläge abgeleitet, wie Migrationen experimentell realistischer geprüft werden können. Andererseits sollen die komplexen aber realitätsnahen dreidimensionalen Simulationen von Stofftransporten durch Papierstrukturen, die beim Partner TUM etabliert werden und für das Verständnis der Einflussfaktoren notwendig sind, für Konformitätsprüfungsanwendungen wieder auf eindimensionale Modelle vereinfacht werden. Für diese sollen die im Kunststoffbereich etablierten Migrationssoftwarelösungen verwendet werden können. Die relevanten Einflussparameter sollen in eine Abschätzformel für effektive Diffusionskoeffizenten übersetzt werden. Anhand realer Verpackungsmuster der Industriepartner werden die Modelle im Vergleich mit experimentellen Migrationsprüfungen verifiziert. Die so validierten wissenschaftlichen Ergebnisse sollen in einfach handhabbare Instrumente für Industrie und Prüflabore transformiert und in einem anwendernahen Leitfaden zusammengefasst werden.

Mit der theoretischen Abschätzung der Migration über Modellierung wird eine weitere Möglichkeit der vereinfachten und daher auch kostensparenderen Prüfung und Bewertung auch für faserbasierte Packstoffe geschaffen. Für die Unternehmen in der Wirtschaft soll die Nutzung der neuen Erkenntnisse eine Reduktion der Dienstleistungs-, Rohstoff- und Personalkosten entlang des Forschungs- und Entwicklungsprozesses von Papierverpackungen, eine Beschleunigung der Entscheidungsprozesse, eine Erhöhung der Gewinnspanne und dadurch eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei gleichzeitigen ökologischen Vorteilen ermöglichen.

Daten zum Projekt

Projektlaufzeit: 01.02.2023 - 31.07.2025
Projektträger / Zuwendungsgeber: AIF / BMWK (IGF-Vorhaben 22760 N)
Verbundpartner:
  • Fachgebiet Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik der TU Darmstadt (PMV)
  • Lehrstuhl für Systemverfahrenstechnik der TU München
Förderlogo BMWK
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