Initiative für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming

Mit innovativen Technologien und Smart Farming lässt sich die biogene Wertschöpfung im Wasser und an Land steigern
© Fraunhofer IGD

Fortschritt für eine nachhaltigere Ernährungswirtschaft

Mit den gebündelten Kompetenzen von fünf Fraunhofer-Instituten plant die Fraunhofer-Gesellschaft mit dem »Initiative für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming« die gesamte Wertschöpfungskette im Bereich Lebensmittel im Sinne der Nachhaltigkeit neu aufzustellen und Unternehmen der Ernährungswirtschaft in ihrem Transformationsprozess zu begleiten. Das Zentrum gliedert sich in zwei Teilinitiativen, die sich in mehreren Standorten in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern organisieren. Im Mittelpunkt stehen dabei die Erforschung und Entwicklung innovativer Technologien für eine nachhaltige Erzeugung und Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, also die Steigerung der biogenen Wertschöpfung.

Das Fraunhofer IVV startet mit einer Reihe ausgewählter Projekte zu einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Nutzung unserer regionalen Rohstoffe.

Gemeinsam für ein Ziel

Das interdisziplinäre Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bringt eine umfassende Expertise aus den Bereichen Robotik und Automatisierung, Sensorik, Analytik und Aktorik, KI und Big Data sowie Konstruktion, Produktion und Verfahrenstechnik ein. Ziel ist es, die Kernkompetenzen zu bündeln und komplexe, systembedingte Herausforderungen für unterschiedliche Bereiche in der Land- und Ernährungswirtschaft zu lösen – auch gemeinsam mit regionalen und überregionalen Kooperationspartnern aus Industrie, Wissenschaft und Forschung. Im Fokus steht zudem der Transfer der universitären und außeruniversitären Forschung in die Praxis.

Biogene Wertschöpfung an Land und im Wasser

Die Graphik zum holistischen Ansatz beschreibt, dass nachhaltige Wertschöpfungsnetze an Land und im Wasser mithilfe datenbasierter, intelligenter Technologien optimiert werden können.
© Fraunhofer IGD

Ressourcenschonende Landwirtschaft und Verarbeitung

Wir forschen, damit Agrarprodukte und biogene Rohstoffe nachhaltiger produziert und genutzt werden können und unterstützen damit den bereits politisch forcierten Paradigmenwechsel hin zu einer ökologischen und ressourcenschonenden Landwirtschaft und Produktion. Mit der Entwicklung intelligenter Technologien legen wir die Basis, um Nutztieren und Pflanzen optimale Wachstumsbedingungen zu bieten und damit sowohl ökologisch als auch ökonomisch hocheffizient zu produzieren.

Forschungsprojekte des Fraunhofer IVV innerhalb der
»Initiative für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming«

 

Lecithinalternativen aus heimischen Pflanzen

Lecithin, ein häufiger Emulgator in der Lebensmittelindustrie, stammt meist aus Sonnenblumen, Raps oder Soja. Deren Verfügbarkeit hängt stark vom Welthandel ab. Wir prüfen die Lecithin-Gewinnung aus heimischen Rohstoffen und Reststoffen der Lebensmittel- und Agrarproduktion. Zudem untersuchen wir Pektin als Lecithinersatz, etwa aus Apfeltrester oder Zitrusschalen, in Bezug auf Anwendung und Gewinnung.

 

Oleogele aus regionalen Ölen

Durch Kombination von pflanzlichen Ölen, Polymeren (z. B. Kohlenhydrate, Proteine) und sekundären Pflanzenstoffen können streich- oder stichfeste Oleogele entstehen. Sie können Palmfett in Lebensmitteln ersetzen oder als pflanzliche Schmierstoffe dienen. Als Rohstoffe dienen regionale Öle sowie der als Reststoff anfallende Presskuchen. Dies steigert die Wertschöpfung regionaler Pflanzenöle und unterstützt die heimische Landwirtschaft nachhaltig.

 

Enzymatisch lipophilisierte Polyphenole

Polyphenole aus pflanzlichen Reststoffen der Lebensmittel- und Agrarproduktion sind wegen ihrer antioxidativen Eigenschaften als biobasierte Additive interessant. Ihre Ölunlöslichkeit begrenzt sie jedoch auf wässrige Medien. Im Projekt PoLipen wird ein Lipophilierungsprozess entwickelt, um sie in ölhaltigen Substanzen wie biobasierten Schmierstoffen einzusetzen. Zudem werden neue Rohmaterialien erschlossen und Produktmuster entwickelt und charakterisiert.

 

Paludikulturen für nachhaltige Verpackungen

Moore sind unser größter terrestrischer Kohlenstoffspeicher. Zur Förderung ihres Erhalts wollen wir die Wertschöpfung von landwirtschaftlichen Kulturen auf Moorflächen, den sog. Paludikulturen steigern. Wir erforschen ihre Nutzung für biobasierte, nachhaltige Verpackungen. Dafür analysieren wir Rohstoffe, entwickeln Verarbeitungsverfahren, untersuchen Wechselwirkungen und führen Materialprüfungen durch.

 

Lignocellulose-Reststoffe für Spielzeuge

Die Verknappung von Holz drosselt den Aufschwung des beliebten Werkstoffs WPC (Wood Plastic Composite). Eine Alternative bietet Lignocellulose aus Nebenströmen der Lebensmittelindustrie, etwa aus Treber von Brauereien. Im Projekt wird Lignocellulose mit Biopolyestern für die Spritzgussherstellung von Spielzeugen kombiniert. So werden lokale Rohstoffquellen genutzt, die Resilienz gesteigert und CO2-Emissionen reduziert.

 

Funktionelle Wasserdampf-Barriere für Fasersubstrate

60 % unserer Kunststoffabfälle sind Verpackungsmüll. Ein biobasiertes Beschichtungssystem mit hoher Wasserdampfbarriere für Fasersubstrate soll diese Menge reduzieren. Es bietet optimalen Schutz für Lebensmittel und nutzt Rohstoffe aus Rinde, die oft als Nebenstrom der Holzverarbeitung thermisch verwertet wird. Das Projekt steigert so die Nachhaltigkeit.

 

Tannine aus Extrakten als antioxidative Multifunctionals

Tannine, ein sekundärer Pflanzenstoff in vielen pflanzlichen Reststoffen, besitzen antioxidative, antimikrobielle und UV-stabilisierende Eigenschaften. Im Projekt T.E.A.M werden sie exemplarisch als Haltbarkeits-Verlängerer in Personal Care Produkten getestet. Dazu gehören Reststoffscreening, Entwicklung von Extraktionsverfahren, Analysen und Formulierungen.

 

Optimierte essbare Beschichtungen für Obst und Gemüse

Im Zuge der Zero-Waste-Initiative entwickeln wir essbare Verpackungsalternativen mit Eigenschaften herkömmlicher Verpackungen, die die Qualität von Lebensmitteln erhalten. Ziel ist eine funktionelle, lipidbasierte Beschichtung mit antimikrobiellen Naturstoffen. Die Pflanzenstoffe werden aus Nebenströmen der Lebensmittelverarbeitung gewonnen, was die Nachhaltigkeit fördert.

 

Wertschöpfung regionaler Fruchttrester

Fruchttrester wird meist über Biogasanlagen oder als Tierfutter verwertet. Fermentiert man Fruchttrester mit Wasserkefir, entsteht ein vitaminreiches Probiotikum mit antimikrobieller und entzündungshemmender Wirkung, das die Darmmikrobiota stärkt. Als Nahrungsergänzungsmittel kann es zur Darmflora-Sanierung dienen. Die nachhaltige Nutzung regionaler Rohstoffe steigert die Wertschöpfung von Agrarprodukten.

 

Pflanzliche Proteinfibrillen für Lebensmittelapplikationen

Als Rohstoff für beispielsweise Fleisch- und Fischalternativen werden pflanzliche Proteine genutzt. Diese weisen allerdings globuläre Strukturen auf. Um tierisches Muskelgewebe zu imitieren, sind jedoch fibriläre Strukturen erforderlich. Im Projekt ProSpin soll daher eine neuartige Technologie entwickelt werden, mit der pflanzenbasierte Proteinfibrillen für Lebensmittelapplikationen produziert werden können.

 

Zerstörungsfreie Produkt-Evaluierung und Shelf-Life-Modelling

Seit 2023 müssen Leuchtstoffröhren durch LEDs ersetzt werden, was die Haltbarkeit von Lebensmitteln beeinflusst. Im Projekt LED ZePElin dokumentieren digitale Lagersysteme Qualitätsveränderungen und berechnen Haltbarkeitsmodelle basierend auf den Lagerbedingungen. Die Ergebnisse zeigen die Bedingungen für eine optimale Haltbarkeit auf.

 

Leguminosen für
Tempeh

Tempeh besteht aus fermentierten Sojabohnen und ist reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen. Ziel des Projektes ist, Tempeh aus heimischen Leguminosen wie Erbsen, Süßlupinen und Ackerbohnen zu entwickeln, die ebenfalls wertvolles pflanzliches Eiweiß, Ballaststoffe und ungesättigte Fettsäuren enthalten. Für ein erweitertes Produktsortiment werden bei der Fermentation verschiedene Pilzarten eingesetzt.

 

Antioxidantien aus pflanzlichen Reststoffen

Pflanzliche Reststoffe enthalten wertvolle Substanzen wie Antioxidantien. Diese könnten in Beschichtungen, Kosmetik, Lebensmitteln und Schmierstoffen genutzt werden. Problematisch sind Schwankungen in Zusammensetzung und Gehalt, beeinflusst durch äußere Faktoren. Ziel ist die Entwicklung eines datenbankgestützten Mischungs-Tools mit Messdaten verschiedenen pflanzlichen Ursprungs.

 

Zirkuläre Agrarfolien

In der Landwirtschaft entstehen große Mengen Strechfolienabfall. Beim herkömmlichen thermomechanischen Recycling mindern Stippen durch Fremdmaterialien die Folienqualität. Überträgt man die lösungsmittelbasierte Recyclingtechnologie aus dem Verpackungsrecycling auf Agrar-Strechfolien, lassen sich reine Polyolefinrezyklate gewinnen. Dies ermöglicht hochwertige Recycling-Agrarfolien, schont Rohstoffe und fördert eine nachhaltige, kreislauffähige Landwirtschaft.

 

Sensorgestütze Bestimmung des Reifegrades von Saaten

Am Beispiel von Raps erforschen wir die sensorbasierte Bestimmung des applikationsaffinen Reifegrads basierend auf Inhaltsstoffen und Funktionalität. Marker für den Reifegrad werden identifiziert, ein Algorithmus und ein Sensorprototyp entwickelt. Prozessmodelle schaffen neue Wertschöpfungspfade in der Ölsaatenverarbeitung, speziell für chemische und technische Anwendungen.

 

Multimodale Zustandssensorik für die biogene Wertschöpfung

Multisensorische zusammen mit multimodalen Messtechniken ermöglichen innovative Anwendungen in der Landwirtschaft. Dazu zählen die Überwachung der Erntelagerung, Emissionsmessung in der Tierhaltung, Feldanalytik, Bonitur des Reifezustands und Freilandmessungen von N2O. Auch die Erstellung von Klimazertifikaten wird durch die einfache Datenerfassung erleichtert.

 

Optimierung der Verwertungspotenziale der Schmierstoffbasisfluide

Hochbelastete elastohydrodynamische Kontakte erfordern spezielle Schmierung, bei der Bioschmierstoffe eingesetzt werden. Spezifische Zellulosederivate ermöglichen es ihnen, bei besserer Umweltverträglichkeit, die Eigenschaften konventioneller Produkte zu erreichen bzw. zu übertreffen. Dies wird durch enzymatische oder alkalische Hydrolyse zellulosereicher Rohstoffe und wasserlösliche Additive erzielt.

 

Barrierefunktionalitäten von Biopolymeren

Biobasierte Rohstoffe wie Algen, Palmblätter, Gräser oder Holzfasern können als Ausgangsstoffe für Biopolymere dienen. Sie enthalten jedoch migrierfähige Stoffe und Kontaminanten, die ihre Einsatzfähigkeit begrenzen. Die Erstellung einer Biopolymer-Datenbank mit Spezifikationen wie Barrierefunktion, migrierfähigen Inhaltsstoffen und Anwendungsmöglichkeiten erleichtert den gezielten Einsatz.

 

Phykokolloide aus Strandgutalgen

Strandgutalgen sind in großen Mengen verfügbar. Sie enthalten Alginate und Phykokolloide, die als Basis für Funktionsbeschichtungen faserbasierter Verpackungen wie Papier dienen können. Die Rohstofferfassung erfolgt per sensorgestütztem Drohnenmonitoring. Das Projekt zielt darauf, die nötigen Eigenschaften wie Haftung und Flexibilität zu erreichen und einen sicheren Einsatz im Lebensmittelkontakt zu gewährleisten.

 

Ballaststoffe aus Getreide-Rohstoffen

Wir entwickeln Verarbeitungskonzepte für ballaststoffreiche Lebensmittel durch die ganzheitliche Nutzung von Haferrohstoffen. Dabei wird der Nebenstrom aus der Haferdrink-Herstellung, sogenanntes Haferokara, in funktionelle Ballaststoff-Zutaten umgewandelt. Sensor- und KI-gestützte Prozesskontrollen optimieren die Verarbeitung, während Stabilisierungsverfahren Haltbarkeit und Funktionalität verbessern. Dies reduziert Verluste, steigert Wertschöpfung und erweitert die Produktpalette.

 [SV1]Wir entwickeln Verarbeitsungkonzepte

Nachhaltigkeitsziele

Das »Zentrum für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming« adressiert insbesondere folgende Nachhaltigkeitsziele der EU (Sustainable Development Goals - SDG), um damit einen signifikanten Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu leisten:

  • SDG2 - Zero hunger
    Sicherung der Ernährung gestützt auf eine nachhaltige Landwirtschaft

  • SDG3 - Good health and well-being
    Gesundheit und Wohlbefinden für Menschen aller Altersstufen

  • SDG 6 - Availability and sustainable management of water
    Gewährleistung der Verfügbarkeit von Wasser und nachhaltiger Wasserbewirtschaftung

  • SDG 9 - Industry innovation and infrastructure
    Aufbau einer resilienten und nachhaltigen Infrastruktur und Unterstützung von innovativen Entwicklungen in der Industrie

  • SDG12 - Responsible consumption & production
    Förderung eines verantwortungsbewussten Konsumverhaltens und nachhaltigen Produktionsprozessen

  • SDG15 - Life on land
    Nachhaltige Nutzung von Landökosystemen und Erhaltung der Biodiversität