Darstellung einer dezentralen Wertschöpfungskette für Paludikulturen

Alternative, regionale Rohstoffquelle
Für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Moorflächen (Paludikultur) werden Pflanzenarten eingesetzt, die einen hohen Wasserstand gut vertragen, wie beispielsweise Schilf, Rohrkolben oder Rohrglanzgras. Vor allem deren deutlich niedrigerer Ligningehalt im Vergleich zu Holz sowie die Tatsache, dass Lignin aus nicht verholzenden Pflanzen leichter auszulösen ist, machen diese Pflanzen attraktiv für die Herstellung von Zellstoff. Denn so können für die Aufbereitung der Rohstoffe Aufschlussverfahren genutzt werden, die deutlich weniger Energie benötigen als bei der Papierherstellung aus Holz. Ein geringerer Ligningehalt sorgt zudem dafür, dass sich ein stabileres Fasernetzwerk ausbilden kann. Darüber hinaus verfügt Zellstoff aus diesen Pflanzenfasern potentiell über bessere mechanische Eigenschaften als Zellstoff aus anderen Strohzellstoffen, wie z. B. Mais oder Bambus.
Als regionale Rohstoffquelle bietet der Einsatz von Paludikulturen für die Verpackungsherstellung gleich mehrere Vorteile hinsichtlich Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Der Rohstoff verfügt grundsätzlich über eine bessere CO2-Bilanz als herkömmliche Rohstoffe, die landwirtschaftlichen Treibhausgas (THG)-Emissionen werden reduziert, die Rohstoffe sind nachwachsend und biologisch abbaubar. Der Wegfall von Transportwegen spart Ressourcen und leistet darüber hinaus einen Beitrag zur Resilienz der Verpackungsindustrie.
Allerdings fehlt bis heute ein Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen Rohstoffquelle, Fasereigenschaften und der technischen Umsetzung zur Herstellung von Verpackungen. Darüber hinaus sind Verpackungen aus Paludikulturen heute noch mit einem wirtschaftlichen Mehraufwand verbunden im Vergleich zu konventionellen Rohstoffen. Daher wird im Rahmen des Forschungsprojekts eine Wertschöpfungskette für Paludikulturen zur Herstellung von Papieren sowie tiefgezogenen oder per Faserguss hergestellten Verpackungsdemonstratoren im Labormaßstab entwickelt und die Nutzung von Paludikulturen als alternative Rohstoffquelle für die Herstellung von Papierverpackungen untersucht. Für die Untersuchungen wurden die Rohstoffe Schilfrohr, Rohrglanzgras und Seggen verwendet.
Rohstoffaufbereitung und Herstellung des Ganzstoffes
Das Fasermaterial (Schilfrohr, Rohrglanzgras und Seggen) für das Projekt wurde im Dezember 2022 im Freisinger Moos von Hand geerntet. Um die Rohstoffe verarbeiten zu können, war eine Trocknung sowie Längenreduzierung auf eine für den Aufschluss wünschenswerte Länge von ein bis vier Millimeter nötig. Je kürzer die Fasern, desto mehr Oberfläche steht für die Extraktion zur Verfügung und desto besser vermischt sich die Biomasse im Reaktor. Sind die Fasern jedoch zu kurz, sind sie für die Papierherstellung ungeeignet, da sich weniger und instabilere Fasernetzwerke bilden und die mechanischen und physikalischen Eigenschaften nicht optimal sind.
Für die Rohstoffaufbereitung und Herstellung des Ganzstoffes (inkl. Additivierung) wurde ein Soda-Pulping-Verfahren weiterentwickelt, das eine 45 % niedrigere Temperatur und einen 11 % geringeren Chemikalieneinsatz als bei herkömmlichen Papierherstellungsverfahren ermöglicht. Auch auf den Einsatz von Druckbehältern kann dabei verzichtet werden.
Blattbildung
Um die Blattbildungseigenschaften von Paludifasern für die Herstellung von Papier und Verpackungen bewerten zu können, wurden vor allem die mechanischen Eigenschaften (nach ISO 1924-1/2) untersucht. Die im Labormaßstab hergestellten Papiere wiesen eine Grammatur zwischen 80 g/m2 und 88 g/m2 und eine Dicke zwischen 0,23 mm und 0,31 mm auf.
Es konnte festgestellt werden, dass die Festigkeitswerte bei einer Rezeptur aus 100 % Paludikulturen denen handelsüblicher Papiere vergleichbarer Grammatur entsprachen. Gleichzeitig wurde auch die Zugabe von Additiven für eine Verbesserung der Blattbildungseigenschaften bei Schilfrohrfasern untersucht. Dabei erwiesen sich Stärke und Leimungsmittel als wirksam für die Steigerung der Zugfestigkeit und Dehnbarkeit der Papiere.
Es wurde ebenfalls die Wasseraufnahmefähigkeit (Cobb60 Test nach DIN EN ISO 535) der Papiere untersucht. Die Rezepturen aus 100 % Paludikulturen zeigten eine sehr hohe Wasseraufnahmefähigkeit von 350 g/m2. Diese konnte ebenfalls durch Additivierung auf ca. 25 g/m2 herabgesetzt werden, was mit Cobb60-Werten handelsüblicher gestrichener Papiere vergleichbar ist.
Verfahren zur Verpackungsherstellung
Zur Analyse des Potentials von Paludikulturen für den Einsatz in Verpackungsanwendung erfolgt anhand von Verpackungsdemonstratoren. Diese werden mittels Faserguss (Rough fibre, Thick Wall und Thin Wall) und dem Tiefziehen hergestellt. Bisherige Ergebnisse zeigen, dass entsprechende Ganzstoffe sehr gut mittels Faserguss zu Verpackungen verarbeitet werden können und diese höhere Festigkeitseigenschaften aufweisen als vergleichbare, marktverfügbare Verpackungen. Weitere Untersuchungen zum Tiefziehen entsprechender Papiere und den Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften zur Erhöhung der Prozessstabilität, Geometrietreue und Geometrievarianz erfolgen noch im Projektverlauf.
Ausblick
Trotz einiger Herausforderungen zeigen die Projektergebnisse, dass Paludikulturen eine vielversprechende Alternative für nachhaltige Verpackungslösungen darstellen können und für die Herstellung von Faltschachteln und Schalen geeignet sind. Um das Potential der Nutzung von Moorpflanzen für die Verpackungsherstellung voll auszuschöpfen, ist weitere Forschung und Entwicklung nötig.
Projektinformationen
„Paludiverpackungen“ ist ein Forschungsprojekt der Fraunhofer-Initiative »Biogene Wertschöfung und Smart Farming« und wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Bayrische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.
Projektlaufzeit: | 1/2023 bis 4/2025 |