

Beschichtungen und Folien auf Algenbasis
Meeresalgen werden traditionell als Lebensmittel in der asiatischen Küche, oder als Rohstoff zur Gewinnung von algenspezifischen Polysacchariden wie Alginat, Carrageen und Agar verwendet. Diese wiederum finden bereits Verwendung in Industriesektoren wie der Lebensmittelindustrie, Biotechnologie sowie der Papier- und Druckindustrie. Meeresalgen verfügen über ein beachtliches Potential für die zukünftige biobasierte Kreislaufwirtschaft, da sie ein rasch nachwachsender Rohstoff sind, der sich sowohl durch seine nachhaltige Gewinnung aber auch durch die vielen wertvollen Inhaltsstoffe auszeichnet. Viele der in Algen enthaltenen Polysaccharide wie Ulvan, Fucoidan sowie niedermolekulare, antimikrobiell wirkende Inhaltsstoffe wurden bisher jedoch noch unzureichend auf ihre Tauglichkeit im industriellen Umfeld untersucht.
Es ist bereits bekannt, dass die Barrierewirkung gegenüber Sauerstoff mit Hilfe von Algenpolysacchariden als Beschichtungen auf Verpackungsfolien stark verbessert wird. Eine ausreichend hohe Sauerstoffbarriere ist für den Produktschutz von Lebensmitteln meist unabdingbar. Bisher wird diese bei konventionellen, fossil basierten Verpackungen durch schwierig zu recycelnde Mehrschichtverbunde erzielt. Hierbei kommt es aktuell in Ländern ohne flächendeckende Müllsammelsysteme verstärkt zur Freisetzung von Plastikmüll in die Umwelt, der Bildung von Mikroplastik im Meer und Boden und damit zu langfristigen globalen Umweltproblemen. Lebensmittelverpackungen aus Algenpolysacchariden stellen hier eine mögliche Alternative dar. Sie sind biologisch abbaubar und können fast vollständig aus biologischen Materialien hergestellt werden, bei vergleichbaren technofunktionellen Eigenschaften wie herkömmliche Lebensmittelverpackungen.
Ganzheitlicher Forschungsansatz im Projekt ACCEPT
Im Cornet-Projekt »ACCEPT« wird die Nutzbarmachung von Meeresalgen nicht nur als Ausgangsstoff für biobasierte Verpackungsmaterialien, sondern auch als essbare Beschichtungen für frisch geerntete Früchte sowie für den Einsatz als umweltfreundliches Pflanzenschutzmittel untersucht. Das Projektkonsortium besteht aus Forschungs- und Industriepartnern in Deutschland (Fraunhofer IVV, IVLV) und Brasilien (Companhia das Algas, USP - Universidade de São Paulo, UNESP – Universidade Estadual Paulista, ITAL - Instituto de Tecnologia de Alimentos) sowie einem projektbegleitenden Ausschuss bestehend aus kleinen und mittleren Unternehmen.
Lokale Fischerfamilien sammeln, reinigen und trocknen die natürlich vorkommenden Meeresalgen im Nordosten Brasiliens. Dies stellt somit zusätzlich eine weitere Quelle für die lokale Wertschöpfung dar. Ein Teil der Algen wird bereits in Brasilien verarbeitet, um als wässrige Extrakte oder Gele auf frisch geerntete Früchte zum Schutz gegen Verderb aufgetragen zu werden. Des Weiteren werden sie als natürliches Pflanzenschutzmittel auf Kulturpflanzen getestet. Dadurch tragen sie einerseits zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und andererseits zum Schutz von Wasser und Boden durch Vermeidung von übermäßigem Pestizideinsatz bei.
Vom Strandgut zur Verpackung
Am Fraunhofer IVV wird ein weiterer Teil der gesammelten Algenbiomasse mit einem speziell dafür entwickelten, fraktionierten Extraktionsverfahren verarbeitet. Herbei liegt die die Herausforderung darin, aus dem natürlichen Algenmix möglichst reine Extrakte zu erhalten. Diese sollten eine gleichbleibende chemische Zusammensetzung und dadurch kontrollierbare technofunktionelle Eigenschaften, wie Filmbildung, Trocknungsverhalten und Barrierewirkung, aufweisen. Anschließend werden die Extraktionsverfahren an den Technikumsanlagen des Fraunhofer IVV auf Pilotmaßstab hochskaliert. Die so gewonnenen Extrakte werden nativ oder modifiziert in Verpackungsmaterialien eingesetzt. Mit Hilfe von chemischer Modifizierung (Quervernetzung) der Polysaccharide erhöht sich die Widerstandsfähigkeit gegenüber Feuchtigkeit. Primär werden Beschichtungen auf konventionellen Biopolymerfolien (z.B. PLA) und Papier mit einhergehender Barriereverbesserung angestrebt. Geplant ist aber auch die Entwicklung von freistehenden Filmen auf Algenbasis - ein neuartiges Material, das für verschiedene Anwendungen im Verpackungssektor eingesetzt werden könnte. Idealerweise sind diese bereits während der Projektlaufzeit als bahnförmiges Material verfügbar.
Abhängig von den endgültigen Eigenschaften werden die Folienmaterialien sowohl für den Schutz von trockenen und halbtrockenen Lebensmitteln, aber auch für frische Produkte mit kurzer Haltbarkeit verwendet. Die Entwicklungen im Projekt stärken KmUs im Lebensmittel- und Verpackungsbereich, da dies den Zugang zu einer neuen, umweltbewussteren Kundenschicht ermöglicht. Zusätzlich können sie gleichzeitig die Anforderungen des Gesetzgebers zu nachhaltigeren Verpackungen erfüllen und den Produktschutz der verpackten Lebensmittel gewährleisten.